Fritz-Walter-Stiftung

Anti-Star und doch ein Mythos

von Hans-Peter Schössler

Es ist viel über Fritz Walter geschrieben worden.

Sein Tod am 17. Juni 2002 machte die ganze Nation betroffen. Sondersendung im Fernsehen, ein würdevoller Festakt am 23. Juni im Fritz-Walter-Stadion in Kaiserslautern mit Ansprachen von Ministerpräsident Kurt Beck, Bundesinnenminister Otto Schily, Oberbürgermeister Bernhard Deubig, DFB-Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder und FCK-Vorstandsvorsitzendem Jürgen Friedrich, die Beisetzung am 24. Juni im Familienkreises waren Tage, die der Persönlichkeit gerecht wurden.

Fritz hätte es sich so gewünscht.

Viel Offizielles ist über ihn gesagt worden.

Ich möchte persönliche Anmerkungen aus der Sicht des Freundes anfügen.

Jetzt ist er da, wo er hin wollte. Oben bei Italia. Wie oft haben wir nach dem Tode seiner geliebten Frau im Dezember 2001 darüber gesprochen. „Jetzt hat alles keinen Sinn mehr. Morgens aufstehen, ohne Italia, ohne ihren Espresso, ihre Aufmunterung.“

Nein, da war kein Platz mehr für große Ziele. So wie die Ziele, die er hatte als er noch nicht 80 Jahre war, als er seine Goldene Hochzeit noch nicht gefeiert hatte. Oder das Ziel, mit Italia auf dem Balkon des Hauses in Alsenborn, ein Glas Champagner in der Hand, die Jahrhundertwende zu erleben. Alles hat er gepackt, aber selbst die 50. Wiederkehr des WM-Endspiels von Bern im Jahr 2004, oder 2006 die WM in seinem Stadion in Deutschland zu erleben, es waren keine wirklichen Ziele mehr, für die er alle Kraft hätte aufwenden wollen.

Wenn Italia krank war, war Fritz noch kränker, und als sie tot war, ist er mit ihr gestorben.

30 Jahre habe ich ihn gekannt, verehrt, geliebt. Es war mir immer eine Ehre, sein Freund zu sein. Wie oft haben wir miteinander telefoniert, manchmal zweimal, dreimal am Tag, waren unterwegs, sahen uns. Dabei war es nicht die Freundschaft um die Ecke, sondern die von der Mosel in die Pfalz.

Wenn ich jetzt am Tage seines Todes, den 17. Juni 2002, an dem diese Worte niedergeschrieben sind, über ihn nachdenke, dann sind es nie nur Gedanken an ihn, sondern immer auch an Italia. Wenn ich ihn abgeholt habe, stand er geschniegelt, nie ohne Jackett und Krawatte, im Flur seines Hauses. Die Verabschiedung war so, als habe er seine Frau vor eine paar Stunden erst kennen gelernt.

Aber dann, 100 Meter außerhalb des Hauses lässt er mich anhalten. Jetzt, wo es Italia nicht mehr sieht, darf er seine Jacke der Erleichterung wegen ausziehen. Auf der Rückfahrt das Gleiche, nur umgekehrt. Wir sind zusammen, es sind sieben Jahre her, auf dem Weg mit der Bahn nach Budapest, um beim 70. Geburtstag von Ferenc Puskas dabei zu sein. Auf dem Bahnhof in Mannheim passiert, was nicht passieren darf. Der Bahnsprecher verkündet, dass der Zug über 30 Minuten Verspätung hat. Fritz, der Begründer des realen Pessimismus`, hat die Lage gleich erkannt: „Es hat keinen Sinn zu fahren, wir kriegen den Anschlusszug in München nicht mehr.“, meint er resignierend. Ein Glück, dass ich ihn kenne. Ich nehme unsere Koffer und gehe zum Ausgang. „Wo willst Du hin?“, fragt er. Ich erkläre ihm, dass ich seiner Meinung sei, von wegen Sinnlosigkeit, weil wir den Anschluss in München nicht mehr bekommen. „Aber wir können es doch versuchen“, meint er großzügig. Na also, wir fahren doch. Den Zug haben wir übrigens bekommen.

In Budapest erlebe ich Fritz mit Puskás, Di Stéfano, Gento und die vielen Großen des Weltfußballs, die alle zum Geburtstag von Ferenc gekommen sind. Fritz und Puskas, die erbitterten Gegner von einst, verstehen sich längst. Als wir an einem Abend über das Spiel von Bern reden und das Leiden der Ungarn verspüren, habe ich das Gefühl, als wolle sich Fritz für das Geschehene von damals entschuldigen. Auf der Rückfahrt sagte mir Fritz, ich solle Puskás drei, nein sechs Flaschen Fritz-Walter-Sekt schicken, als ob er damit etwas gut machen will. Ich tue es natürlich und Puskás dankt ihm.

Immer wenn Fritz Menschen mag, schickt er ihnen etwas. Und wenn sie etwas von ihm wollen, dann tut er es. Für den, der zu seinem Geburtstag eine Gedenkmünze herausgab, für den hat er persönlich 7.000 Briefe unterschrieben. Tage hat er dafür gebraucht und Renate Kehl, mehr als nur der gute Geist als Sekretärin in 40 Jahren, hat immer wieder geschimpft, dass er immer zu allen Ja sagt.

Autogramme nur mit „Fritz Walter“ unterschreiben, das gibt es nicht. Mindestens muss es heißen „In sportlicher Verbundenheit, Ihr Fritz Walter“. In vielen Fällen kommt auch der Name hinzu. Also: „Für Hermann Müller, in sportlicher Verbundenheit, Ihr Fritz Walter“. Mehr als 40 Sekunden brauchte er dafür. Das ist wenig ökonomisch. Einmal habe ich mit ihm darüber diskutiert, ob man das auch mit Abkürzungen machen könne. Er hat mich nur strafend angesehen, als wollte ich einen Eingriff in sein Leben vornehmen, ohne ihn vorgewarnt zu haben. Bis zu seinem Tode hat er ohne Abkürzungen geschrieben. So hat er tausendfach Wünsche erfüllt.

Wenn ein Reporter von ihm ein Interview wollte, dann hat er sich bedankt, wenn es geschafft war.

Fritz, Du wirst mir fehlen. Weniger Deine 61 Länderspiele, die 33 Tore, die Weltmeisterschaft, die beiden Deutschen Meisterschaften, nicht die fast 400 Spiele für den FCK mit mehr als 300 Toren. Das alles habe ich ja nicht wirklich erlebt, sondern nur auf dem Bildschirm oder auf Bildern.

Nein, DU wirst mir fehlen. Der Mensch, der so einzigartig, liebenswürdig, freundlich, charmant, großzügig war. Der Mensch, der nirgendwo in sich einen Platz für Schlechtigkeiten zuließ. Du warst ein Anti-Star, aber für uns alle ein Star, ein Mythos, einer, zu dem man hochschauen konnte. Du warst zum Verlieben.

Jetzt haben wir nur noch die Erinnerung.

Adieu, lieber Fritz, geliebter Freund.

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